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Enerige & Management > Biogas - „Stromknappheit vom Mittwoch droht Regelfall zu werden“
Quelle: Fotolia / Jürgen Fälchle
BIOGAS:
„Stromknappheit vom Mittwoch droht Regelfall zu werden“
Für die Bioenergie-Branche waren die extremen deutschen Strompreise am 26. Juni ein Beleg dafür, dass die Ampel auf Biomasse setzen sollte. Billiger käme es auch, so der Anspruch.
 
Wenn die Ampelregierung ihre Kraftwerksstrategie, die bisher nur in Eckpunkten festgelegt ist, tatsächlich mit H2-ready-Kraftwerken durchzieht, zahlt sie dafür mehr, als wenn sie die Bioenergie wieder auf einen Wachstumspfad setzen würde. Dies sagten Vertreter der Branche am 28. Juni vor Journalisten und formulierten ihre Gegenforderungen.

Aufhänger war ursprünglich die jüngste Biomasse-Ausschreibung, die mehr als dreifach überzeichnet war (wir berichteten). Nun spielte ein aktueller Anlass den Argumenten der Fachverbände Biogas und Holzenergie und des Bauernverbandes (BDV) in die Hände, die in Berlin ein gemeinsames Lobbybüro unterhalten: Die Stromauktion am 25. Juni zur Lieferung am 26. Juni brachte für acht der 24 Stunden Extrempreise hervor, weil Deutschland durch eine Börsenpanne von Im- und Exporten abgeschnitten war (wir berichteten mehrmals).

Mit Bezug darauf warnte FV-Biogas-Präsident Horst Seide: „Letzten Mittwoch haben Sie gesehen, was los ist, wenn nur wenige Gigawatt fehlen. Wenn wir nicht gegensteuern, laufen wir sehenden Auges bis 2030 in einen Regelzustand hinein.“ Die Biogas-Branche habe mit Sicherheit ihre 6.000 MW in den teuren Stunden komplett zur Verfügung gestellt, antwortete Seide auf eine Frage dieser Redaktion.
 
Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie vor der Presse neben Horst Seide: „Das Osterpaket war ein Sterbepfad für die Biomasse-Ausschreibungen“
Quelle: E&M / Georg Eble


Die drei Hauptforderungen, die Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro und Johann Meierhöfer, Leiter Pflanzliche Erzeugung beim DBV, dagegenstellten, sehen erst mal nach mehr Subventionen aus − und genau diesem Eindruck versuchte Seide entgegenzuwirken:
  • Das jährliche Ausschreibungsvolumen von zweimal 250 MW auf 1.800 MW jährlich steigen. Das Osterpaket von 2022, auf dem der Status quo beruht, sehe stattdessen „eigentlich einen Sterbepfad für Biomasse-Ausschreibungen“ vor. 2025 sind es nur noch 400 MW jährlich und danach lediglich 300 MW, zuzüglich jeweils maximal 174 MW Jahresübertrag.
  • Der Flexibilitätszuschlag als Belohnung dafür, dass Betreiber Motoren einbauen, die nur noch stundenweise und idealerweise netzdienlich Strom produzieren, solle von heute 65 auf 120 Euro/kW fast verdoppelt werden. Dies sei nur ein Inflationsausgleich, sagte Seide.
  • Das Verbot im Flexibilitätsbonus, eine bereits flexibilisierte Biogas-Anlage in größerem Maßstab „nachzuflexibilisieren“, müsse fallen. Einige Betreiber hätten dies für nur 100 kW, 200 kW behutsam genutzt und dürften nun nicht weitergehen.
Zum Flexibilitätsbonus hört Seide in der Politik „positive Signale: Das könnte nach der Sommerpause kommen.“ Gegenüber den Ausschreibungen wiederum verhalte sich zwar das BMWK kühl, die Länder und Kommunen aber seien angetan davon.

Um 2030 mit Holz und Biomasse 10.000 MW sichere Strom-Erzeugungsleistung zu erzeugen, also die gleiche, die die geplante Ausschreibung derselben Leistung wasserstofffähiger Erdgasblöcke 2025 in Umsetzung der Kraftwerksstrategie erbringen soll, seien 12 Milliarden Euro erforderlich. Die Investitionen in Erdgas-Kraftwerke hingegen würden nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums (BMWK) 4 Milliarden Euro mehr kosten.

Selbst bei den laufenden Kosten sei Biogas dann günstiger, so Horst Seide, wenn der CO2-Preis 2030 bei 120 bis 150 Euro/Tonne liegt − was man freilich wegen des großen zeitlichen Abstandes schwerlich vorhersagen könne. Derzeit sind es knapp 70 Euro/Tonne, und da wäre Erdgas günstiger, räumte der FV-Präsident ein.

Johann Meierhöfer vom DBV warnte auch davor, mit den geplanten Erdgas-Wasserstoff-Kraftwerken von der Abhängigkeit von russischem Erdgas in eine neue Abhängigkeit von Flüssigerdgas (LNG) zu geraten.

„In jedem Fall ist Biogas erheblich günstiger als Wasserstoff!“, betonte Seide. Eine Idee hinter der Kraftwerksstrategie ist es, die Ausschreibungs-Gaskraftwerke schrittweise auf Wasserstoff umzustellen und damit im laufenden Betrieb zu dekarbonisieren. Horst Seide gab zu bedenken, dass diese Blöcke − entweder Erdgas/Wasserstoff oder Biogas − 2030 zu jenen Kraftwerke avancierten, die in der Day-ahead-Auktion den Strompreis setzen werden.

Derzeit beläuft sich die installierte elektrische Leistung der deutschen Biogas-Anlagen laut Horst Seide auf 6.000 MW, von denen 4.000 MW auf Dauerleistung ausgerichtet sind. „Wir könnten 2030 rund 12.000 MW“, so Johann Meierhöfer vom DBV zu der Schubumkehr, die er und Seide sich vorstellen.

Höhere Ausschreibungs-Leistungen würden im Übrigen geringere Durchschnittsvergütungen nach sich ziehen, gab sich Seide überzeugt. Bei der jüngsten Biomasse-Ausschreibung am 1. April war der durchschnittliche mengengewichtete Zuschlagswert mit 17,8 Ct/kWh durch die Überzeichnung nahe am gesetzlichen Höchstwert von 18,48 Ct/kWh. Durch die Privilegierung der Südregion südlich der Mainlinie − die der Biogas-Lobby im Gegensatz zur Wind-Lobby bei deren Technologie ein Dorn im Auge ist − seien einige Gebote aus dem Norden unterhalb des Höchstwertes nicht zum Zug gekommen. Der höchste Zuschlag war 18,28 Ct/kWh.

Bei einem Weiter-so allerdings wird ein Rückbau stattfinden, legt eine Mitgliederumfrage des FV Biogas nahe. Demnach planen 30 Prozent der Befragten, ihre Biogas-Anlage aufzugeben. 19 Prozent wollen dann auch die Wärmeversorgung einstellen. Der Brennstoff-Wechsel wären dann weitere volkswirtschaftliche Kosten. Die Zahl der Umfrage-Teilnehmer wurde nicht genannt.
 

Georg Eble
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Freitag, 28.06.2024, 15:53 Uhr

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